»Man kann nicht kämpfen, wenn die Hose voller ist als das Herz.«
Der lange Weg der Weltbühne begann 1905, als sie von Siegfried Jacobsohn als linkspolitische Theaterzeitschrift „Schaubühne“ in Berlin gegründet wurde. Die Absicht von Jacobsohn kann sehr gut durch ein Zitat dargestellt werden: “Meine Absicht einer Anzahl starker und feiner Geister, denen das Wohl und Wehe unseres Theaters am Herzen liegt, die Möglichkeit zu einer rückhaltlosen Aussprache ihrer Gedanken, ihrer Gefühle, ihrer Ideale zu geben.“
Der Name der Zeitschrift kam zustande, da Siegfried Jacobsohn kein passender Name eingefallen ist, und ein Justizrat den Namen "Schaubühne" vorschlug. Jacobsohn ernannte Siegbert Cohn als Geschäftsführer des Verlages „Schaubühne“. Um die Zeitschrift zu finanzieren, hatte Jacobsohn einen hervorragenden Einfall, der ihn dazu bewegte, berühmte Autoren für die Zeitung anzugeben, um so den Geldgebern zu imponieren. Unter diesen Autoren waren Namen wie Kurt Tucholsky, Alfred Döblin und auch Carl von Ossietzky.
13 Jahre lang informierte die Zeitschrift die Berliner über Theater und Kultur, bis sie 1918 in „Weltbühne“ umbenannt wurde und sich zu einer Wochenzeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft entwickelte. Die Bezeichnung Weltbühne entstammt einer Schweizer Zeitschrift die den Namen einführte, um die veränderten Interessensgebiete der Zeitschrift zu verdeutlichen. Die Redakteure erkannten nämlich, daß eine nur auf Theater gerichtete Zeitschrift nicht auf dem Markt bestehen könnte und sie sich deshalb auch politisch und wirtschaftlich engagieren müsste auch wenn das Theater durch die Wahl seiner Themen und Aufführungen sehr wohl politisch partizipieren konnte. Der Kulturbereich gab nun die Möglichkeit, die aktuelle Gesellschaft und aktuellen Problematiken in der Zeit nach dem 1.Weltkrieg widerzuspiegeln. Mit der Zeit entwickelte sich die Zeitschrift „Weltbühne“ zu einem der wichtigsten Publikationsorgane in der Weimarer Republik. In ihr konnten bedeutende Autoren/innen, wie die bereits erwähnten Kurt Tucholsky, Alfred Döblin, Carl von Ossietzky, aber auch Egon Friedell, Walter Hasenkleber, A. Holitscher, Else Lasker Schüler, R. Leonhardt, H.+K. Mann, W. Mehring, Joachim Ringelnatz, A. Roda Roda, R. Schickele, A. Zweig, Berthold Brecht, Robert Walser, George Bernard Shaw, Ernst Toller, Erich Kästner uvm. ihre Meinung und Kritik zu Politik, Kultur und der Gesellschaft in der damaligen Zeit artikulieren. Dies taten sie zum Teil sogar unter so „exotischen“ Pseudonymen wie „Peter Panther“, „Ignaz Wrobel“(K. Tucholsky), „Lucius Schierling“ (C. v. Ossietzky).
Um sich vorstellen zu können, mit was für Themen sich die Autoren auseinandergesetzt haben, möchten wir die folgenden Beispiele anführen:
"Wenn alle Heilmittel versagen, dem kranken Staat zu helfen,
greift der „Heil!“Künstler zum Antisemittel."
Der Text von Victor Wittner, erschienen im Jahre 1921, zeigt die Radikalität der in der Weltbühne abgedruckten Texte, in diesem Fall einem Gedicht. Der Autor greift heftigst den zunehmenden Antisemitismus in der Republik an. Konkret beschreibt er, daß die natürliche Selbsthilfe durch brutal wirkende, künstlich erschaffene Antibiotika in ihrer Funktion abgelöst wird, und der Staat versucht die Probleme auf die „neue“ Weise zu lösen.
Die Menschlichkeit ist leider aktuell, und kühne, geistreiche und gute Rat:“ Liebet eure Feinde!“ wird widerlich verdünnt verkauft. (.......) Jeder durchseelte Augenblick ist unsterblich, selbst wenn er niemals kund wird. Nichts ist vergeblich!“ Der Beitrag von EL HA, erschienen im Jahre 1921, erweckt schon durch die Überschrift „WeltBühne“ eindeutig die Assoziation mit dem Theater. Insofern ist schon in der Überschrift ein umfassendes Weltbild des Autoren zu erkennen, das sich durch den Text noch sehr verstärkt abzeichnet. Er greift die Scheinheiligkeit der Menschen auf und verdeutlicht die Grausamkeit derer, die durch „tiefsinnige“ Sprüche, wie „Liebet eure Feinde“, ihre Vorteile auszuspielen suchen.
Dieser Text besteht aus zeitlosen geschriebenen Worten, die somit auch auf die heutige Zeit zutreffend erscheinen. Der Autor hat keine direkt politische Absicht, sondern verfolgt eher eine grundlegende menschliche Gesinnungsänderung.
Mit dem Tode Jacobsohns am 26. Dezember 1926 übernahm K. Tucholsky für einem kurzen Zeitraum die Leitung der Redaktion, bevor er diese Aufgabe im Mai 1927 wieder an Carl v. Ossietzky abgab. Dies alles in einer immer diffiziler werdenden Zeit: Die Weimarer Republik trat in ihre dritte und letzte Phase, die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und politischen Probleme des Staates wurden immer schwieriger und schwerwiegender.
Dies ging auch an der Weltbühne nicht spurlos vorbei. Immer größer wurde der Druck auf die Zeitschrift und ihren Chefredakteur Carl von Ossietzky, eine Tatsache die nach 1933 (Hitlers Machtübernahme) noch stärker wurde.
Die kritische Einstellung der Weltbühne gegenüber den konservativen Eliten führte immer wieder zu Angriffen gegen die Zeitschrift, was im November 1931 einen traurigen Höhepunkt erreichte.
Carl v. Ossietzky wurde als Leiter der Weltbühne im sogenannten „Weltbühnenprozess“ des Landesverrates für schuldig befunden und zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt. Bei diesem Prozeß, der am 23.11.1931 stattfand, wurden zwei Schriftsteller, unter ihnen Carl von Ossietzky, des Verrates militärischer Geheimnisse (§1 Absatz 2 der Weimarer Verfassung) angeklagt. Der Prozeß fand unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt, da man die Staatssicherheit in Gefahr sah. Aus diesem Grund verpflichtete man die Beteiligten zur Schweigepflicht.
All dies und die Tatsache, dass Carl v. Ossietzky die Strafe im Mai 1932 antreten mußte, führten zur Verlegung der Zeitschrift nach Wien, wo sie bis zum 7. März 1933 als „Wiener Weltbühne“ erschien. Doch auch dort befand sich die Redaktion nicht lange. Nach dem Tode Carl von Ossietzkys am 4. Mai 1938, als er an den Folgen seiner KZ-Haft starb (TBC), wurde die Weltbühne aufgelöst, nachdem sie bis 1938 als „Neue Weltbühne“ in Prag und Paris erschienen war.
Erst nach dem Ende des zweiten Weltkrieges wurde die Zeitschrift auf Lizenz der sowjetischen Besatzungsbehörde 1946 von Ossietzkys Ehefrau Maud wiedergegründet. Sie geriet jedoch mit der Teilung Deutschlands immer mehr in die Abhängigkeit der Pressepoltik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Somit konnte sie auch dort nicht frei und demokratisch berichten und kommentieren.
Seit dem Mauerfall am 9.11.1989 scheint dieser Kreis durchbrochen und ein Neuanfang gemacht. Die Weltbühne erscheint (im gleichnamigen Verlag) in der Herausgeberschaft von Helmut Reinhardt in Berlin. Die Verkaufsauflage beträgt mit nur ca. 18000 Exemplaren zwar wesentlich weniger als manch andere Zeitschrift und etwa genauso viel wie zu ihrem besten Zeiten, aber auf die Auflagestärke kam es der Weltbühne sowieso nicht so sehr an. Es war der Inhalt der zählte. Der Inhalt für den Carl von Ossietzky 1935 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde und der Inhalt, für den er 1938 starb.
Als die Weltbühne nach der Deutschen Einheit quasi wiedergegründet wurde sollte sich einiges ändern. Die Zeitschrift sollte ihr Dasein in der ehemaligen DDR aufarbeiten und wieder zu den Tugenden zurückfinden, die sie in der Zeit von der Weimarer Republik bis in den Deutschen Faschismus hinein auszeichneten. Sie sollte wieder unabhängig und vor allem kritisch gegenüber dem Staat, der Kultur, der Wirtschaft und der Gesellschaft werden.
Auch äußerlich sollte dieser Wiederbeginn dokumentiert werden. So erinnert das Layout der Weltbühne von 1992 sehr stark an das des Originals von 1905. Inhaltlich besann sich die Wochenzeitschrift ebenso wieder auf die ihr wichtigen Themengebiete Politik, Kunst und Wirtschaft.
Es mußten allerdings neue Autoren für die Weltbühne gewonnen werden ( da die ehemaligen größtenteils bereits verstorben waren) und es mußte logischerweise über aktuelle, relevante Themen geschrieben werden. So schreiben jetzt Männer und Frauen wie Matthias Wedel , Maxim Biller und Dorothee Sölle Beiträge für die Zeitschrift. Aber auch Texte der ehemaligen Autoren wie Carl von Ossietzky werden wieder ins Programm genommen und wieder veröffentlicht. Inhaltlich beziehen sich die Beiträge vor allem auf aktuelle Themen wie die Blauhelmeinsätze der Bundeswehr (1992) oder die Folgen des Zusammenbruches der DDR.
Um ein Beispiel für einen Artikel in der Weltbühne zu geben, der sich um ein aktuelles Geschehnis dreht, möchten wir einen Beitrag von Otto Köhler aus der Weltbühne Nr.34 vom 18.08.1992 vorstellen. In diesem Beitrag vergleicht O. Köhler die Auslieferung Erich Honeckers nach dem Zusammenbruch der DDR mit Friedrich Dürrematts Stück „Besuch der alten Dame“. So beschreibt er Bundeskanzler Helmut Kohl, der die Figur der Milliardärin Claire Zachanassian darstellt, wie er im Rahmen der Weltklimakonferenz in Rio de Janeiro der Chilenischen Regierung sehr viel Geld anbietet, damit diese Honecker an Deutschland ausliefere, so wie die Zachanassian den Güllenern eine Milliarde geboten hat, damit diese einen Übeltäter bestrafen.
Otto Köhler kritisiert dabei die Doppelmoral und „brutale“ Offenheit des Kanzlers in der Auslieferungs Frage. Kohl nämlich war es, der Honecker zwar nie als vom Volk legitimierten Staatschef ansah, aber ihn dennoch mit Geld und Ehren unterstützte. Außerdem erklärte er offen, warum und wie er mit Chile verhandele.
Eine deutliche Parallele zu Dürrematts Dame, die schon mit einem Sarg als Gepäck in Güllen ankam.
Doch im Gegensatz zum Stück wollte Kohl den Beklagten nicht tot, sondern lebendig auf der Anklagebank in Deutschland sehen. Eine Tatsache, so Köhler, die schnell zu einer tragischen Komödie werden könnte, wenn Honecker etwas sagt, oder gar Kohl vor Gericht geladen werden sollte. Auch zum Ende seines Artikels findet Otto Köhler eine Parallele zum Besuch der alten Dame, die auch noch nicht unkritisch zur Politik Kohls und seiner Regierung ist. Claire Zachanassian machte Versprechungen, die sie von Beginn an nicht zu halten gedachte. Kohl versprach ebenfalls viel, ob er diese Versprechen auch so halten wird, das bezweifelt Otto Köhler.
Wie man sieht, hat sich inhaltlich nicht viel gegenüber der „alten“ Weltbühne verändert. Sie bleibt eine Wochenzeitschrift für Politik, Kunst und Wirtschaft, die sich nicht scheut, in ihren Artikeln und Beiträgen auch mal kritische Töne gegenüber Politikern, Parteien und Geschehnissen zu äußern.