»Man kann nicht kämpfen, wenn die Hose voller ist als das Herz.«

Theateraufführung des Galli-Theaters in der Carl-von-Ossietzky-Schule am 5.3.2015

Als historische Grundlage der Aufführung dienten Akten aus dem Hauptstaatsarchiv Wiesbaden, Feldpostbriefe und zeitgenössische Zeitungsartikel. Zusammen mit der von einem Leistungskurs Geschichte der Carl-von-Ossietzky-Schule im Jahre 1996 erarbeiteten Dokumentation „Kriegsreifeprüfung. Kriegsalltag und Kriegsende im Urteil Wiesbadener Schüler 1914-1918“ bildeten diese die Basis der Inszenierung. Zwei Schauspieler hatten in Vorbereitung hierfür im Archiv zur Alltagsgeschichte des Ersten Weltkrieges recherchiert. Beraten wurden sie dabei von dem Archivpädagogen Markus Müller-Henning, der eine Auswahl an Materialien zusammengestellt hatte. In deren Mittelpunkt standen der ehemalige Schüler des Staatlichen Gymnasiums Wiesbaden, Hubert Brieden, der sich als junger Kriegsfreiwilliger meldete – zwei Jahre vor dem geplanten Abitur. Am 25. September 1915 fiel er als Fähnrich im kurhessischen Jäger-Bataillon Nr. 11 in Französisch Flandern.

Das knappe Aktengerüst der Aktenlage hat Johannes Gallii, Leiter des gleichnamigen Theaters, zu Dialogszenen ausgearbeitet, die schlaglichtartig die Kriegszielpolitik der beteiligten Mächte vor Augen führen. Besonders anschaulich aber spiegelt sich die aufgeheizte Kriegsbegeisterung der deutschen Bevölkerung beispielsweise in Zeitungsberichten aus dem Wiesbadener Tagblatt und in Feldpostbriefen wider, die sich drei Schauspieler gegenseitig vorlesen. So erleben die Zuschauer mit, wie die anfängliche Euphorie und der überschwängliche Hurra-Patriotismus mit seinen illusionären Hoffnungen der ersten Kriegstage zunehmend den Ängsten, dem Entsetzen weichen und schließlich in die Totenklage eines verzweifelten Menschen münden.

In der anschließenden Diskussion mit den Schülern und Lehrern war zu spüren, wie sehr das Kunstformat des szenischen Spiels mit seiner Lebendigkeit als Bildungstheater für Schulen geeignet ist. Es berührt auf persönliche Art und Weise, wenn anstelle anonymer Zahlen und Faktenberge Akteninhalte zum Sprechen gebracht werden und die Geschichte realer Menschen erzählt wird, deren Einzelschicksal eine Stimme auf der Bühne erhält.

Markus Müller-Henning, 6.3.2015

Erstellt am 11. März 2015
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