»Man kann nicht kämpfen, wenn die Hose voller ist als das Herz.«
Es ist kalt an diesem Nachmittag, als sich Schülerinnen und Schüler der Carl-von-Ossietzky-Schule in Wiesbaden-Klarenthal vor der "Teestube" einfinden, einer Tagesaufenthaltsstätte für wohnungslose Menschen. Vor der Tür treffen sie auf einige "Klienten" - so werden die Besucher genannt -, die gerade die Einrichtung verlassen, die wenige Minuten später schließt. In der Teestube sind die jungen Erwachsenen und ihr Lehrer Stephan Da Re, der auch als Schulpfarrer und Schulseelsorger an der "CvO" tätig ist, mit Matthias Röhrig verabredet, dem Leiter der Einrichtung. Der Diplom-Sozialarbeiter erzählt in eindrücklichen Worten von alltäglichen Erfahrungen mit Menschen, denen das Leben Wunden geschlagen hat. Wer ihm zuhört, merkt schnell, dass hier einer sitzt, der weiß, wovon er redet, und der seinen Beruf mit großer Hingabe und viel Herzblut ausübt. So spricht er von den Angeboten der Teestube, wie dem kostenlosen Mittagstisch, der Kleiderkammer, vielfältigen Beratungsmöglichkeiten und medizinischer Versorgung. Er erzählt von Menschen, die von ihm und seinem Team an ihren Schlafplätzen in der Wiesbadener Innenstadt aufgesucht werden und Hilfe angeboten bekommen. Still wird es, als Röhrig von einem rumänischen Wanderarbeiter berichtet, der mit gebrochenem Genick an einer Autobahnraststätte abgelegt und dann in die Teestube gebracht wurde. Nicht nur in solchen Fällen setzen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter alle Hebel in Bewegung, um Menschen zu helfen und ihnen auch ohne Krankenversicherungsschutz die nötige medizinische Hilfe zuteil werden zu lassen.
Befragt nach seiner Motivation für diese herausfordernde Tätigkeit sagt Röhrig, dass er etwas gestalten und aufbauen wolle. Das scheint ihm gelungen zu sein, denn nahezu jeder, der über die Dotzheimer Straße in die Innenstadt fährt, kommt an dem gelben dreistöckigen Gebäude auf der linken Seite vorbei, das in direkter Nachbarschaft der Elly-Heuss-Schule liegt. Die zurückgehenden Gelder und Kürzungsrunden machen indes auch Röhrig zu schaffen. Weil die Personalkosten nicht mehr finanziert werden konnten, musste Ende des vergangenen Jahres die Notübernachtung schließen. Allein an Spenden würden 100.000 Euro pro Jahr benötigt. Wichtig ist Röhrig, dass neben den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern vor Ort viele weitere - vor allem ehrenamtliche - Kräfte aus Kirchengemeinden und Vereinen sowie Ärzte und Krankenschwestern den Laden am Laufen halten.
"Mir ist es wichtig, dass unsere Schülerinnen und Schüler sensibilisiert werden für einen achtsamen Umgang mit Menschen in unterschiedlichen Lebenssituationen, der von Respekt und Toleranz geprägt ist und der die Würde der oder des anderen wahrt. An Begegnungen wie diesen lernen wir fürs Leben - mehr als es jeder Unterricht leisten könnte", resümiert Da Re, der das Gespräch an diesem Nachmittag initiiert hat.
Die Teestube Wiesbaden gehört zur Regionalen Diakonie Hessen-Nassau und ist bereits seit fast 40 Jahren Tagesaufenthaltsstelle mit angegliederter Fachberatung. Sie bietet Beratung, Hilfestellung sowie Arbeitsmöglichkeiten und vermittelt in Übernachtungseinrichtungen. Informationen zu den Angeboten und Möglichkeiten der Unterstützung gibt´s auf der Website der Einrichtung: https://www.diakonie-wirt.de/rat-und-angebote/fuer-wohnungslose/teestube
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